Detail: Gecheckt: Klimapläne

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Mehr bezahlbare Wohnungen, null CO²

Klimaschutz und bezahlbares Wohnen sind bisher schwer vereinbar. In Hamburg soll sich das ändern.
Wie, das steht im neuen Koalitionsvertrag von SPD und Grüne. Kann der Plan aufgehen? Monika Böhm, Vorstandsvorsitzende des Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften e. V., unterzog einige Punkte einem Realitätscheck.

Check 1: 2050 sollen alle Gebäude klimaneutral sein. Klimaschutz und bezahlbarer Wohnraum sollen
aber nicht länger als Gegensätze erscheinen.

„Eine erstaunliche Aussage. Noch nie wurde beides so eng miteinander verzahnt. Ich fürchte nur, mit dieser Aussage werden Hoffnungen geweckt, die nicht erfüllt werden können. Um unsere Welt zu retten, werden wir alle unseren Beitrag leisten müssen. Beim Wohnen heißt das: Es wird zwangsläufig teurer. In der Gebäudebewirtschaftung macht es nun einmal einen Unterschied, ob man einfach ein Haus baut oder ob man ein Haus baut, das die Umwelt nicht belastet.

Wärmedämmung, dreifach verglaste Fenster, Be- und Entlüftungsanlagen, Fotovoltaik: Das und vieles mehr braucht man heute zusätzlich, und das produziert zusätzliche Baukosten. Neben den hohen Grundstückspreisen ist das ein Hauptgrund, warum die Anfangsmieten eines Neubaus heute viel höher liegen als vor 20 Jahren und wir die Betriebskosten ,zweite Miete‘ nennen. Die ganze Technik muss ja gewartet und von Zeit zu Zeit erneuert werden. Natürlich wäre es toll, wenn wir irgendwann ohne Mietenanstieg klimaneutral wohnen könnten. Das kann aber nicht funktionieren. Außer die Stadt vergibt künftig ihre Grundstücke zum Nulltarif und die staatliche Förderung wird drastisch erhöht.“

Check 2: Neubauten sollen künftig ausschließlich im KfW-Standard 40 oder besser errichtet werden.

„Aus der Praxis kann ich sagen: Das ist definitiv mit bezahlbaren Wohnen nicht vereinbar – und macht auch wenig Sinn. Der KfW-Standard 40 stellt sehr hohe Anforderungen. Um sie zu erfüllen, braucht man deutlich mehr Technik als für den vermeintlich schlechteren KfW-Standard 55. So wachsen die Wohnkosten.

Damit könnte man sich noch arrangieren, wenn wir mit immer höheren Standards auch immer mehr CO2 sparen würden. Das Ende der Fahnenstange haben wir aber schon so gut wie erreicht. Sicher können wir noch mehr machen. Die Ausbeute – also die CO2-Einsparung – ist aber so minimal, dass es kaum etwas bringt.

Darüber hinaus hat dieser Wettlauf um die Standards einen Nebeneffekt, der Branchenfremden kaum bewusst ist: Je weniger Energie durch Wärmedämmung und neue moderne technische Einrichtungen verbraucht wird, umso mehr steigt der Einfluss der Bewohner. Längst hängt es auch immer mehr vom Nutzer ab, ob die errechneten theoretischen Verbrauchswerte in der Praxis erreicht werden. Das gilt für Strom, Heizung und Warmwasser. Ein wichtiger Aspekt, bei dem ganz deutlich wird, dass wir alle etwas tun müssen.

Check 3: Die Sanierungsquote soll erhöht werden. Als Anreiz ist eine Ausweitung der Förderprogramme geplant.

„Ich glaube nicht, dass mehr Förderprogramme automatisch zu mehr Modernisierungen führen werden. Zumindest nicht bei den Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften. Seit bald 30 Jahren arbeiten wir kontinuierlich an der energetischen Modernisierung unseres Bestands und wissen, dass solche Maßnahmen mit dem ganzen Baulärm und Staub sehr belastend für unsere Mitglieder sind. Schon allein deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass die Mitgliedsunternehmen die Schlagzahl deutlich erhöhen wollen. Aber selbst wenn, wäre es nicht so ohne Weiteres machbar. Solche Maßnahmen müssen geplant, genehmigt und umgesetzt werden. Das alles dauert einiges an Zeit. Mit der Digitalisierung insbesondere in den Behörden kann man die Genehmigungsprozesse sicher beschleunigen und erleichtern. Noch ist es aber nicht so weit, und Technik allein wird nicht helfen. Es fehlen Fachkräfte. Bereits jetzt auf dem Bau und zunehmend bei Wohnungsunternehmen und Behörden. Wie soll man so die Sanierungsquote steigern?

Was ebenfalls übersehen wird: Es dürfen nur Baumaßnahmen gefördert werden, die die gesetzlich vorgegebenen Mindestanforderungen übertreffen. Deshalb ist es auch wenig zielführend, immer neue gesetzliche Standards zu formulieren, ohne die Förderbedingungen anzupassen. Denn ohne Fördermittel werden wir unseren Beitrag zur Verlangsamung des Klimawandels zu bezahlbaren Preisen überhaupt nicht umsetzen können.

Fazit: Wir dürfen uns nichts vormachen. Umweltschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Auch unsere Mitglieder müssen künftig mit steigenden Nutzungsgebühren rechnen. Nur haben sie den Riesenvorteil, dass sich die Genossenschaften seit jeher für bezahlbares Wohnen starkmachen. Für uns gilt weiterhin: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“