20 I N T E RV I E W M I T STA AT S R AT M A RT I N B I L L Der Bundesgesetzgeber möchte die Bewohner unterstützen Um die angespannte Parkplatzsituation insbesondere in den innerstädtischen Quartieren zu entschärfen, richtet die Stadt zunehmend Bewohnerparkzonen ein. Ansässige Firmen haben jedoch kein Recht auf einen Anwohnerparkschein. Wir sprachen darüber mit Martin Bill, Staatsrat in der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. Herr Bill, warum wurde in Hamburg Be- wohnerparken eingeführt? Martin Bill: Wir haben insbesondere in den gründerzeitlichen Quartieren einen sehr hohen Parkdruck, also sehr viel Kon- kurrenz um die Parkplätze. Da sagen wir: Diejenigen, die dort wohnen, müssten pri- mär ein Recht haben, diesen Parkraum zu nutzen. Dafür gibt es im Bundesrecht, also in der Straßenverkehrsordnung, die Rege- lung zum Bewohnerparken. Im Koalitions- vertrag haben SPD und Grüne deshalb vereinbart, in dieser Legislaturperiode mindes tens 20 zusätzliche Bewohnerpark- gebiete einzurichten. Spielt dabei auch die Mobilitätswende eine Rolle? Ja, am Ende hat das schon eine gewisse lenkende Wirkung, wenn wir Besuchern das Parken in diesen Gebieten zwar er- möglichen, aber mit Parkschein und für maximal drei Stunden. Der Kern des In- struments ist aber, dass diejenigen, die nicht mehr mit dem Auto in die Quartiere fahren, um dort beispielsweise einzukau- fen oder etwas trinken zu gehen, Park- raum frei machen für diejenigen, die dort wohnen, weil die Parkplätze nicht mehr von gebietsfremden Parkern über die Ma- ßen genutzt werden. Weiterhin erhöht es die Sicherheit, weil der Parksuchverkehr, bei dem man meist etwas unaufmerk- samer und abgelenkt ist, deutlich redu- ziert wird. Nicht zuletzt wird dem illegalen Parken vor Zufahrten, an Einmündungen und auf Fußgängerüberwegen dadurch A U S G A B E SOMM E R 2 02 2 T E RVIEW I N Martin Bill ist seit 2020 Staatsrat in der Behörde für Verkehr und Mobili- tätswende unter Senator Anjes Tjarks. Zwischen 2013 und 2020 war der Jurist Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und von 2017 bis 2021 stellvertre- tender Vorsitzender von Bünd- nis 90/Die Grünen. Der heute 39-Jährige studierte in Hamburg Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Bau- und Umweltrecht. entgegengewirkt. Das ist uns ein sehr großes Anliegen, denn das ist besonders riskant für Kinder, die man zumeist hinter den parkenden Autos nicht sieht, und es behindert unter Umständen die Feuer- wehr, die womöglich nicht rechtzeitig zum Einsatzort gelangen kann. Warum haben ansässige Firmen und Be- triebe kein Anrecht auf einen Anwoh- nerparkplatz? Das ist eine rechtliche Vorgabe. Das Bun- desrecht sagt, dass Bewohnerinnen und Bewohner nur natürliche Personen sind, also keine Läden oder Gewerbe – das wären juristische Personen. Diese müs- sen nach jetzigem Bundesrecht Ausnah- megenehmigungen beantragen. Wir set- zen uns auf Bundesebene dafür ein, dass das geändert wird. Also, dass diejenigen, die in den Gebieten ihren Firmensitz haben, leichter an Bewohnerausweise kommen. Da sind wir aber auf den Bund angewiesen. Momentan bietet Hamburg Ausnahme- genehmigungen … Ja, und zwar für zwei Konstellationen: zum einen für diejenigen, die mit ihren Fahr- zeugen zum Kunden in ein anderes Gebiet fahren, um dort zu arbeiten. Dafür gibt es Ausnahmegenehmigungen für das Parken beim Kunden. Das ist ein eingespieltes Verfahren, bei dem wir inzwischen Ge- nehmigungsquoten von 97 Prozent haben. Wir sind dazu im engen Austausch mit der Handwerks- und der Handelskammer und befragen auch bei jeder Einführung eines Bewohnerparkgebietes die ansässigen Handwerksbetriebe und die Kammern. Etwas anders sieht es aus, wenn ich mei- nen Betriebssitz in einem Bewohnerpark- gebiet habe: Das ist dann eine Ausnahme- genehmigung für das Parken am Betriebs- sitz, nicht für das Arbeiten beim Kunden.